Quellenmaterial

Essai sur l’influence des croisades

Napoleon, die Kreuzzüge und die Vorromantik

Im Jahre 1806 schrieb das renommierte Institut de France einen akademischen Wettbewerb auf eine Preisfrage aus, die im Fahrwasser von Napoleons Ägyptenfeldzug (1798–1801) einen ganz besonderen Beigeschmack besaß:

Man möge untersuchen, welchen Einfluss die Kreuzzüge auf die bürgerlichen Freiheiten der Völker in Europa hatten, auf ihre Zivilisation, auf die Fortschritte in der Aufklärung, auf den Handel und das Handwerk.

Eine der beiden schließlich preisgekrönten Arbeiten [1] stammte aus der Feder eines gebürtigen Bremers, des in Göttingen wirkenden Geschichtsprofessors Arnold Hermann Ludwig Heeren (1760–1842), dessen Vater Ende des 18. Jahrhunderts ein hoch geschätzter Dompastor war. Zum Erfolg des deutschen Kandidaten in Paris trug sicher bei,Villers 1809 dass der Preisträger des Jahres 1804, seit 1810 auch ein Bremer Ehrenbürger, sich persönlich der Übersetzung dieses gelehrten Werkes ins Französische angenommen hatte. Charles de Villers (1765–1815), in Lübeck wohnhafter Exilfranzose, leistete den drei Hansestädten während der napoleonischen Zeit auch diverse politische Dienste im Umgang mit der unberechenbaren Macht jenseits des Rhein. Der Nachwelt bekannt geworden ist er aber vor allem durch seine Verbindung zu Germaine de Staël, ihres Zeichens Salondame in einem kleinen, aber schmucken Palast am Genfer See, wo sie sich mit solch illustren Gästen wie Benjamin Constant, Wilhelm von Humboldt oder August Wilhelm Schlegel umgab. Die beiden letzteren studierten übrigens gegen 1789 bei Heeren Philosophie.

Einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen den Kreuzzügen und dem Siegeszug der Aufklärung herzustellen, läge den meisten Historikern heute fern. Heerens Abhandlung gewinnt ihre Bedeutung dadurch, dass sie ein Scharnier zwischen den Ereignissen des Ägyptenfeldzuges und der romantischen Neuinterpretation des Kreuzzugsidee bildet. Sie bereitete mit den Boden für die Aufnahme der Idee des Heiligen Krieges in das Gedankengut des liberalen Europa der Vorrestauration. In ihrem Werk De l’Allemagne (1810/13) – in der Leipziger Ausgabe von 1814 mit einem Vorwort von de Villers versehen – brachte de Staël den dahinter stehenden Traum so zum Ausdruck: »Die Kreuzzüge vereinten die Edelleute aller Länder und machten aus dem Geist des Rittertums so etwas wie eine Art europäischen Patriotismus, der alle Seelen mit dem gleichen Gefühl erfüllte.« [2] Dieser Satz zierte 1816 schließlich den Kopf einer Rundbriefsammlung der europäischen Barbareskenkampagne. [3]

[1] Arnold Hermann Ludwig Heeren: Essai sur l’influence des croisades. Paris: Treuttel & Würtz 1808. Der zweite Preisträger war ein Abteilungsleiter im französischen Handelsministerium, der »seine freie Zeit der Schriftstellerei widmete« (Joseph-Marie Quérard, La France littéraire, Bd. 5, 146).

[2] Les Croisades réunirent les gentilshommes de tous les pays, et firent de l’esprit de chevalerie comme une sorte de patriotisme Européen qui remplissoit du même sentiment toutes les âmes. – Anne-Louise-Germaine de Staël: De l'Allemagne. Bd. 1, Paris: Hachette 1958, 75.

[3] William Sidney Smith (Hg.): Collection des pièces principales annexées au rapport du Président de la Réunion des Chevaliers Libérateurs des Esclaves Blancs aussi-bien que des Noirs en Afrique, assemblées à Vienne, le 29 décembre 1814, et à Paris, le 15 avril 1816. Paris 1816. Staatsarchiv Bremen, 2–R.11.ee.5.d.2.

Hinzugefügt am 2. April 2008 | Tilman