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Säkularisierung oder Konfessionalisierung? Freimaurerei und Nationalprotestantismus in Bremen

Marcus Meyer
WerkstattGeschichte 17:49 (2008), 73–84

Wertetalk Die Freimaurerei spielt in der historiographischen Forschung hauptsächlich im Zusammenhang mit der bürgerlichen Aufklärung des 18. Jahrhunderts eine Rolle. Ihre Bedeutung für die Bürgergesellschaft des 19. Jahrhunderts, vor allem des Deutschen Kaiserreiches, ist dagegen bisher nur wenig thematisiert worden. Die wenigen einschlägigen Studien zeigen, dass die Freimaurerei in dieser Zeit keineswegs ein Randphänomen war, sondern ihre Logen zu den wichtigen Treffpunkten bürgerlicher Eliten gehörten. Die nahezu vollständig erhaltenen Archive der Logen der Hansestadt Bremen bieten einen tiefen Einblick in ethische, moralische und politische Vorstellungen, wie sie in diesem Teil des deutschen Bürgertums diskutiert wurden. Die protestantische Deutung der Nation und der sie definierenden Werte war frühzeitig elementarer Bestandteil dieser Debatten. Die Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang zwischen Freimaurerei und Nationalprotestantismus zeigt, dass die Logen zu jenen Orten zu rechnen sind, in denen die kulturhegemonialen Vorstellungen des Protestantismus zu einer identitätsstiftenden Ideologie verdichtet werden konnten. So trugen sie nicht nur zur inneren Festigung des liberalen Flügels des bremischen Bürgertums bei, sondern beeinflussten auch dessen Abgrenzung gegenüber dem pietistischen Bürgertum, der Sozialdemokratie und der seit 1870 auf gesellschaftliche wie politische Partizipation drängenden jüdischen Bevölkerung.

Hinzugefügt am 14. Januar 2009 | Marcus