Publikationen

Die Bremer Magnetiseure

Ein Traum der Aufklärung. Bremen: Kleio Humanities 2007
Tilman Hannemann

Die Bremer MagnetiseureDie Morgendämmerung der Moderne vollzog sich in Bremen nicht ganz so bruchlos, wie es viele Darstellungen der hiesigen Aufklärung und ihrer Helden eigentlich erwarten lassen. Eine kurze Zeitlang, Ende der 1780er Jahre, schien es gar, als würde die „Nachtseite der Spätaufklärung“ [1] in der aufstrebenden Hansestadt die Führung übernehmen wollen. Auf der Grundlage des „tierischen Magnetismus“, einer von Franz Anton Mesmer (1734–1815) entworfenen Heilkur durch Fluidalströme, behandelten Bremer Ärzte schwerkranke Kaufmannstöchter und versetzten sie in hypnotische Zustände. Sie folgten den „Somnambulen“ bei ihren visionären Reisen in unsichtbare Welten und ließen sich von ihnen bei der Wahl ihrer Medikamente leiten. Versuche mit Fernheilung oder „magnetisiertem Wasser“, in dem der Arzt seine Lebenskräfte speicherte, erinnern an alternative Heilpraktiken der Gegenwart.

Zirkusmagnetiseur Vor solchem Aberglauben schlug aber die aufklärerische Vernunft im restlichen Deutschland Alarm. Christoph Martin Wieland (1733–1813) raisonnierte etwa in Weimar, den Bremer Ärzten, die mit Hilfe der Somnambulen durch Wände gucken wollten, sei der „Sensus communis“ [2] abhanden geraten. Auch ein Bremer Dompastor predigte entschlossen gegen den Wunderglauben. Die Kampagne der Gegner ließ die Bremer Magnetiseure in der Öffentlichkeit weitgehend verstummen; ihre Praxis setzte sich jedoch noch bis weit in das 19. Jahrhundert fort. Dieses Beharrungsvermögen erklärt sich unter anderem aus den religiösen Orientierungen der Protagonisten, die in der vorliegenden Monografie eingehend untersucht werden. Dabei entsteht das Panorama einer auch in Bremen wirkenden christlich-esoterischen Avantgarde der europäischen Religionsgeschichte.

[1] Diethard Sawicki: Die Gespenster und ihr Ancien Régíme. Geisterglauben als ,Nachtseite‘ der Spätaufklärung. In: Monika Neugebauer-Wölk: Aufklärung und Esoterik. Hamburg: Meiner 1999, 364–396.

[2] Christoph Martin Wieland: Gedanken aus Veranlassung eines Briefes des Herrn D. Bicker in Bremen an Herrn Hofrath Baldinger über Lavaters Magnetismus [1. Teil]. In: Der Teutsche Merkur, 1787, Nr. 1, 82–96, 86.

Hinzugefügt am 15. März 2008 | Tilman