Aktuelles

Kontinuitäten und Wandel zwischen Religion und Gesellschaft: Bremer Religionsgeschichten

Eine Veranstaltungsreihe des BBKR in Kooperation mit der Universität Bremen

KirchentagIn Kooperation zwischen den Instituten für Religionswissenschaft und Geschichte an der Universität Bremen sowie dem Bremer Bureau für Kultur- und Religionsgeschichte e.V. findet zum Deutschen Evangelischen Kirchentag 2009 eine Suche nach den spezifischen Ausprägungen der Religion vor Ort statt. Entlang eines Bogens, der von der Mitte des 9. bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts reicht, erscheinen wiederkehrende Motive über Bekenntnis, Heilserwartung und Gesellschaftsideal. Gibt es einen eigenen „bremischen Religionsstil“, der sich vom Mittelalter ausgehend bis in die Moderne erstreckt?


Programm

Ort: Gästehaus der Universität, Auf dem Teerhof 58, 28199 Bremen. ÖPNV: Wilhelm-Kaisen-Brücke. Lageplan

    Do. 21.05., 11.00–13.00: An den Rändern der Welt

    Uta Halle (Universität Bremen)
    Die Mission Skandinaviens geht von Bremen aus: Was Ansgar an-gestiftet hat

    Zusammenfassung – Für die frühe nordeuropäische Kirchengeschichte ist Ansgar eine der wichtigsten Persönlichkeiten. Hamburg wurde 845 der erste Bistumssitz für den Norden, nach Bremen verlegte Ansgar nach einem Wikingerüberfall das Bistum, er ging auf Missionsreisen nach Skandinavien. Doch was davon können wir archäologisch-historisch fassen? Der Vortrag stellt die wenigen überlieferten Aussagen und die bekannten archäologischen Funde zur Missionstätigkeit Ansgars in Nordeuropa um die Mitte des 9. Jahrhunderts zusammen. Wie sah der erste „Bremer Religionsstil“ zu dieser Zeit aus und wie lässt er sich konkret nachweisen?


    Christoph Auffarth (Universität Bremen)
    Das Grauen des Weltendes hat einen Namen: Alexander Minoritas Kommentar zur Apokalypse

    Zusammenfassung – Der Franziskaner (Minorit in Bremen oder Stade) Alexander schrieb einen Kommentar zur Apokalypse des Johannes. Dabei ordnet er die Katastrophen, die seine Generation gerade erlebte ein. Aber nicht Verzweiflung ist das Ergebnis. Nein, die Apokalypse ist der Weg durch den Tunnel in ein neues Zeitalter. Nicht im Jenseits das Himmelreich, sondern auf der Erde ein Zeitalter der Gerechtigkeit. Das Dritte Reich des Geistes, geleitet von einer heiligen Gemeinschaft, den Franziskanern und Dominikanern. Welche Chance, welche Gefahr besteht in solch einer christlichen Utopie?

    Do. 21.05., 15.00–17.00: Volksfrömmigkeit im Übergang

    Hans Kloft (BBKR)
    Reliquien und Volksfrömmigkeit: Die Ärzteheiligen Cosmas und Damian zu Bremen

    Zusammenfassung – In einem kostbaren spätgotischen Schrein ruhten seit etwa 1400 die Gebeine der beiden Ärzteheiligen Cosmas und Damian, die im 9. Jahrhundert durch Erzbischof Adaldag von Rom an die Weser transferiert wurden. Sie bildeten den wertvollsten Bestand des Bremer Reliquienschatzes, den ehrgeizige Kommunalpolitik zu einem überregionalen Kultzentrum ausbauen wollte. Der Vortrag will die Bedeutung des spätmittelalterlichen Heiligen- und Reliquienkultes an diesem Beispiel vor Augen führen, eine Frömmigkeitsform, die durch die Reformation ihr Ende fand. Der Cosmas- und Damianschrein wurde an die bayerischen Wittelsbacher verkauft und befindet sich heute in der Michaelskirche zu München.


    Franklin Kopitzsch (Universität Hamburg)
    Die Reformation in Bremen

    Zusammenfassung – Bremen gehört zu den Städten, in denen sich die reformatorische Bewegung schon früh durchsetzen konnte. Das Streben nach kirchlicher Erneuerung war – wie in Hamburg und Lübeck – eng mit politischen und sozialen Forderungen verbunden. Auf dem Weg zur Reichsfreiheit der Stadt war die Reformationszeit eine wichtige Etappe. Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts setzte sich dann der Calvinismus an der Weser durch und führte zu einem Bremer Sonderweg in der Frühen Neuzeit.

    Fr. 22.05., 11.00–13.00: Der Bremer Bürger zwischen Rationalität und Mystik

    Frank Eisermann (BBKR)
    Kreuzzug gegen Bonaparte: Der Heilige Krieg in der frühen Erweckungstheologie

    Zusammenfassung – Nicht nur Laien interpretierten die Befreiungskriege gegen Napoleon als einen Heiligen Krieg gegen den Antichristen; Theologen aus dem Umfeld der frühen Erweckungsbewegung predigten in ganz Norddeutschland den Kreuzzug gegen den Kaiser der Franzosen, den sie mit religiösen Endzeiterwartungen verbanden. Wie unterschiedlich die Reaktionen auf die Erfahrungen politischer Fremdherrschaft und fremdbestimmter Modernisierung in ihren theologischen und politischen Konsequenzen waren, soll an den Vorstellungen der beiden Bremer Prediger Gottfried Menken (1768–1831) und Johann Heinrich Bernhard Dräseke (1774–1849) zum Thema «Heiliger Krieg» dargestellt werden. Dabei werden insbesondere das Verhältnis von persönlicher Religiosität und politischem Handeln im Denken der beiden Prediger, als auch die Bedeutung ihrer Vorstellungen für die politische Entwicklung Bremens in der Zeit unmittelbar nach dem Ende der französischen Besetzung, thematisiert werden.


    Tilman Hannemann (BBKR)
    Das Gamaliel-Syndrom: Kirchenpolitik und Säkularisierung bei Johann Smidt

    Zusammenfassung – Im Januar 1836 wird publik, dass an der bremischen St. Ansgarii-Gemeinde bald ein neuer Pastor gewählt werden muss. Nur zwei Monate später, im März, erscheint eine anonyme Schrift: Die Abendunterhaltungen des Gamaliel, in denen der aus der Apostelgeschichte bekannte jüdische Gelehrte wie ein sokratischer Gesprächsleiter Ratschläge für die Neubesetzung des Pastorats erteilt. Alle ahnen, wer hinter der Veröffentlichung steht, doch keiner sagt etwas. Statt dessen melden sich zwei der profiliertesten Pastoren Bremens zu Wort. Für Georg Gottfried Treviranus zeugen die Abendunterhaltungen von «zerfließender Bildung»; Friedrich Ludwig Mallet hält ihre Position gar für «schädlicher […] als die äußerste Seite des Unglaubens». Die Pastorenwahl zieht sich wegen formaler Differenzen zwischen der Gemeinde und dem Senat über das ganze Jahr hin. Was war denn damals in der Stadt los?


    Fr. 22.05., 15.00–18.00: Glaube zwischen Nation und sozialer Frage

    Regine Villinger (BBKR)
    Der Kirchentag in Bremen von 1852

    Zusammenfassung – Die Kirchentage, die sowohl im Katholizismus wie im Protestantismus in der Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Anfang nehmen, sind mit den heutigen kaum zu vergleichen, wenn sie auch den gleichen Namen tragen. Wichtig ist, dass sie ein neues Verhältnis zwischen Kirchenleitung und „Basis“, zwischen Pastoralebene und Gläubigen signalisieren, und sich zu einem Kommunikationsinstrument entwickeln, das zentrale Probleme der Zeit aufnimmt und an die Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen weiterleitet. Der Bremer Kirchentag, der fünfte seiner Art nach dem Beginn 1848, steht im Zeichen der Inneren Mission und des „Central-Ausschusses“. Der Name und das Programm von Johann Hinrich Wichern sind mit ihm untrennbar verbunden. Zwei Ziel- und Themenbereiche befinden sich auf der Agenda: die Stärkung der kirchlichen Konföderation und die Soziale Frage im Zeitalter der Industrialisierung und des steigenden Bevölkerungswachstums. Beiden Bemühungen soll in der Betrachtung Rechnung getragen werden.


    Thomas Auwärter (BBKR)
    Albert Kalthoff: Ein Vertreter des „Bremer Radikalismus“


    Dieser Vortrag fällt leider wegen Krankheit aus!

    Zusammenfassung – Die Bremer Religionsgeschichte kann bemerkenswerte Persönlichkeiten aufweisen: Die wohl schillerndste Figur des Bremer Kirchenlebens um 1900 war der Pastor an St. Martini, Albert Kalthoff (1850–1906). Doch ist das Wirken Kalthoffs über die Grenzen lokaler Religionsgeschichte hinaus von Bedeutung: nicht nur für die Geschichte der protestantischen Frömmigkeitskultur, sondern auch für eine religionshistorische Analyse innerprotestantischer Reformbestrebungen in der Zeit des zweiten Kaiserreichs. Kalthoff gehörte zum linken Reformflügel des deutschen Protestantismus. Darüber hinaus kann man ihm eine gewisse Nähe zum freigeistigen Spektrum attestieren. Das Hauptaugenmerk des Vortrages liegt auf der Darstellung von Kalthoffs Bremer Wirkungszeit.


    Marcus Meyer (BBKR)
    Zwischen Krieg und Frieden: Bremer Pastoren in der Weimarer Republik

    Zusammenfassung – Die Bremer Religionsgeschichte war wie keine zweite von innerprotestantischen Gegensätzen und den entsprechenden Auseinandersetzungen geprägt. Das Bremer Gemeinderecht erlaubte es den einzelnen Gemeinden, Prediger nach ihrem Geschmack zu berufen, ohne dass eine übergeordnete Kirchenbehörde darauf hätte Einfluss nehmen können. Im 18. und 19. Jahrhundert standen sich Rationalisten und Pietisten gegenüber und fochten mehr als einen Kirchenstreit aus. Im frühen 20. Jahrhundert, insbesondere nach dem Ende des Ersten Weltkriegs blieben die Konflikte, aber ihre Inhalte veränderten sich. Nationalprotestantische Pastoren, die seit 1871 die Einheit von Gott, Kaiser und Reich gepredigt hatten, sahen sich der von ihnen präferierten gesellschaftlichen und religiösen Ordnung beraubt. Viele von ihnen standen deshalb in Opposition zur Demokratie von Weimar. Ihr Kampf gegen das „System“ beschränkte sich dabei nicht auf das Gemeindeleben. 80 Prozent, so schätzen Kirchenhistoriker, standen der Deutschnationalen Volkspartei nahe. Aber es gab auch die anderen, die sich entweder zurückzogen oder offen gegen Antisemitismus und Nationalismus auftraten. Der Vortrag geht dem Verhältnis von Politik und Religion in der Weimarer Republik anhand der Biographien bedeutender Bremer Pastoren nach.

Letzte Änderung: 19.05.2009